31.10.2007

So gesehen

Ziemlich selten. Ein Attentäter wurde heute dazu verurteilt, so ungefähr 99,9 Prozent seiner Strafe nicht absitzen zu müssen:

Einer der Hauptangeklagten, der Marokkaner Jamal Zougam, wurde zu mehr als 40.000 Jahren Haft verurteilt. Allerdings darf nach spanischem Recht niemand länger als 40 Jahre im Gefängnis bleiben.

Aber davon abgesehen gut ausgedacht.

29.10.2007

Attraktion


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27.10.2007

Weniger und mehr

[...]
Ich tippe rasch meine Antwort. Plötzlich aber halte ich inne und betrachte die zuletzt geschriebenen Worte. Da steht: »zunehmend weniger«.

Das ist ganz und gar unlogisch, denke ich im ersten Moment. Im zweiten denke ich es schon nicht mehr, im Gegenteil: Wenn es aus einer Sicht daran nichts zu beanstanden gibt, dann aus Sicht der Logik – jedenfalls, wenn man tatsächlich meint, was man sagt; daß irgendetwas nicht nur abnimmt, sondern auch immer schneller.

Mathematiker würden jetzt eine Kurve zeichnen, die erst flach, und dann immer steiler nach rechts unten verläuft, wie die rechte Seite eines Torbogens, und sie würden darauf deuten und sagen, daß auf jeweils gleichgroßen Abschnitten nach rechts die Linie immer größer werdende Abschnitte nach unten vollzieht. Diese wachsenden Beträge würden sie als neue, nun ansteigende Linie zu Papier bringen, und vielleicht würden sie beide Zeichnungen nebeneinanderhalten, links die Steigung, rechts den Torbogen, als graphischen Ausdruck von »zunehmend weniger«.

Andere, die keine abstrakten Linien mögen, würden wohl, hart an der Praxis, von irgendeinem Produkt erzählen, dessen Preis immer schneller sinkt, vielleicht Speicherkarten. Erst kosten sie 60 Euro, später 50, irgwendwann nur noch 35 Euro, und jetzt 15. Erst 10 Euro weniger, dann 15, und am Ende noch mal 20 Euro billiger – zunehmend weniger.

Eine sehr präzise Wendung. Knapp und korrekt. Logisch einwandfrei.

Kurioserweise klingt sie ganz anders, gar nicht nach Präzision und Logik, sondern irgendwie nach Mini-Riesenrädern. Nach Frauenmannschaft und nach Minuswachstum. Und nach einem früheren Dozenten, der in einer Veranstaltung über manipulative Statistiken nicht nur Irreführung anzuprangern hatte, sondern bisweilen auch feststellen mußte, dies oder das sei »richtiggehend falsch«. Sie klingt einfach paradox.

Und das ist toll. Damit haben wir ein doppeltes Paradoxon, ein Meta-Paradoxon, denn ist es nicht seinerseits paradox, daß ein sprachlich paradoxer Ausdruck gleichzeitig sprachlich völlig logisch ist? Ich finde das großartig, auch wenn ich weiß, daß das gar nicht stimmt. Er klingt ja nur widersprüchlich.

Daß die scheinbar paradoxe Seite so zum Vorschein kommt, mag allerdings daran liegen, daß die logische so ziemlich keinen interessiert. Ist es nicht so, daß diese Wendung zunehmend weniger ihrer Bedeutung gemäß gebraucht wird, sondern zumeist so wie in dem Satz, den Sie gerade lesen? Als Synonym für »immer seltener«, oder einfach als Ausdruck einer Tendenz, einer Schätzung oder – wie in meinem zugrundeliegenden Falle, ich räume es ein – eines unbestimmten Gefühls?

Vor wenigen Tagen berichtete zum Beispiel die Neue Zürcher Zeitung, »dass die Anleger zunehmend weniger gewillt seien, sich den Marktrisiken auszusetzen.« Nicht weniger. Zunehmend weniger. Vielleicht ganz genau nachgezählt. Vielleicht auch nicht. Sehr wahrscheinlich, daß nicht.

Ist das nicht auch paradox? Wer tatsächlich und genau »zunehmend weniger« meint, der sagt es nicht (wohl eher Sachen wie »überproportional abnehmend«) – und wer es sagt, der meint es nicht. Und irgendwie gefällt mir das.

Epilog
Was einem manchmal alles durch den Kopf geht, wenn man irgendwo hängenbleibt. Ich tippe meine Antwort schnell zuende. Als ich sie abgeschickt habe, weiß ich gar nicht, was ich an dieser Stelle stattdessen geschrieben habe. Oder ob ich es einfach hab' stehenlassen.

Manchmal denke ich, ich merke mir zunehmend weniger.
[...]

25.10.2007

Das schönste Wort der Welt

... ist also »Widerspiegelung des Mondes im Wasser«. Nur eben auf türkisch, da reicht genau ein schönes Wort dafür:
»Yakomoz«.

Daß es gleich das schönste der Welt ist, fand jetzt die Jury des Instituts für Auslandsbeziehungen, das den gleichnamigen Wettbewerb ausgerufen hatte. Man kann ja von solchen Konkurrenzen halten, was man möchte, eine nette Sache ist es ja doch irgendwie.

Und sehr gelungen, interessant und unterhaltsam ist allemal die zugehörige Zusammenstellung:
»Das schönste ABC der Welt« (PDF; 1,85 MB)
Gar nicht nur wegen der Nuckelpinne.

Sabei.

24.10.2007

Luxauge

Die ziemlich unregelmäßige Kolumne


Grimm ist geil, und die Queen ist feucht

von Christoph Robert Lux


Stellen Sie sich das mal vor. Sie müssen noch schnell zu Saturn, ein paar Lampen kaufen, sind ohnehin schon mies gelaunt, weil Sie endlich nach Hause möchten und was essen – und dann versperrt Ihnen kurz vorm Ziel plötzlich Elke Heidenreich den Weg und verwickelt Sie in eine Diskussion über Moral und Ästhetik von Werbesprüchen. Ungeil!

Warum sollte sie denn so etwas tun? Ich weiß es nicht. Keiner weiß es, aber sie tat:

Ich habe damals eine kleine private Kampagne gestartet, all meinen Freunden und Bekannten vom Kauf bei Saturn abgeraten, mich vor einzelne Filialen gestellt und Kauflustige so lange in Diskussionen verwickelt, bis sie eben nicht mehr kauflustig waren.

Wegen der doofen »Geiz ist geil!«-Kampagne, die »ekelhaft, falsch, zu beanstanden« gewesen und jetzt zum Glück eingestellt worden sei. Grimms Wörterbuch sei dank. Elke Heidenreich hat das mal gewonnen und sogleich »benutzt und damals, als die Kampagne losging, der Firma Saturn einen Brief geschrieben«. Geiz und geil würden ja gar nicht zueinander passen. Das saß! Aber pronto vier Jahre später, seit neulich, ist Schluß mit der Geilheit.

Wir möchten ehrlich sein: Die Kampagne war doof und ekelhaft, falsch und zu beanstanden. Aber deswegen hungrige Leute daran hindern, sich Lampen zu kaufen? Auch doof. Wo es doch so praktisch auf dem Wege liegt; und im Dustern wie Königin Elisabeth möchte man ja auch nicht hausen.

Die nämlich, erzählt man sich, schleicht nachts mit einer silbernen Taschenlampe durch die Palastgänge, dreht die Heizungen runter und schaltet die Lichter aus. Und dann kuschelt sie sich ins klamme Bett. Das berichtet Frau Heidenreich:

Königin Elisabeth, erzählt man sich, schleicht nachts mit einer silbernen Taschenlampe durch die Palastgänge, dreht die Heizungen runter und schaltet die Lichter aus. Und dann kuschelt sie sich ins klamme Bett. [...] Geiz ist sowas von geil!

Shocking! Das habe ich ja noch nie gehört: Jemand, der nachts die Lichter ausschaltet. Die Königin herself auch noch. Erschütternd. Macht die echt nachts die Lichter aus. Majestät können sich ja alles erlauben!

Und die Heizungen gleich mit. Aber ist es nicht bezeichnend? Ein Mann veranstaltet Dia-Abende mit der Forderung, die Heizungen runterzudrehen und erhält dafür den Friedensnobelpreis; eine alte Frau, die nachts losschlurft, um zu tun, wie vom Nobelpreisträger geheißen, wird von Elke Heidenreich gedisst. Gerecht ist das nicht. Wo ist Alice Schwarzer, wenn solche Schande offenkundig wird? Wo ist die Fratze des Feminismus, wenn die Fratze der Diskriminierung triumphierend grinst? Aufrüttelnde Zustände erfordern aufrüttelnde Formulierungen.

Aufrüttelnd auch die Information, Frau Windsor kuschle sich ins klamme Bett. Ja, hüstel, räusper, hust. Oder verstehe ich das falsch? Wo ist Alic- äh, wo sind die Grimms, wenn banges Erstaunen und erstauntes Bangen sich des Lesers bemächtigen, und er nach Gewißheit lechzt? »Na hier!« rufen sie und bestätigen: »KLAMM, adj. [...] kalt und feucht, feucht überhaupt, klebrig«:

feucht und kalt, naszkalt. [...]
aber auch feucht allein. nd. z. b. [...] von gliedern eines menschen der in gelindem schweisze ist RICHEY 119; [...]
endlich klebrig, so nd. 'klebricht feucht' brem. wb. 2, 784 (klammen swêt klebrichter schweisz), ostpreusz. HENNIG 122. nl. klam (und klamp) bei KIL. tenax, viscosus, lentus, also zähe, klebrig; [...]

Was weiß Elke Heidenreich, was wir nicht wissen? Wieso ist es feucht im Bett der Queen? Klebt es gar in königlicher Schlafstatt? Und wovon ist das Bette klebrig? Das wird verschwiegen. Dann, bitte, soll man aber auch gar nicht davon anfangen und ekelhafte Gerüchte streuen. Ich beanstande das.

Worum ich die Queen übrigens beneide, ist diese kleine silberne Taschenlampe, mit der sie, wie man sich erzählt, nachts durch den Palast schleicht. Ob es die bei Saturn gibt? Ich möchte auch gerne eine haben. Find' ich ganz geil, sowas.

23.10.2007

Kubisch

Oder: Pausenfüller im doppelten Sinne

Wie immer im Leben: Es muß verbunden werden, was verbunden gehört. Hier zum Beispiel:

Der Logikwürfel

Anfangs ganz leicht, aber es wird kniffliger. Je später, desto besser. Für Sie.

19.10.2007

Der Erleuchtete


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18.10.2007

Witzig wie Oscar

Liam Gallagher ist der geborene Frontmann, mit allem, was dazugehört. Aber (beziehungsweise wohl auch genau deshalb):

Placing rock star Liam Gallagher in the same exalted company as silver-tongued genius Oscar Wilde would seem to many to be a long bow to draw.
Guardian Unlimited«)

Überhaupt eine illustre Runde: Wilde, Churchill, Shakespeare, Gallagher. Und was verbindet Liam mit den anderen dreien? Erstens: nicht viel. Zweitens: Sie gehören zu den zehn witzigsten Briten. Sagen die Briten.

Merkwürdig, nicht wahr? Nicht, daß ein Rockstar in dieser Liste auftaucht, warum auch. Auch nicht, daß es sich um einen Gallagher handelt. Merkwürdig, daß es nicht Noel ist.

16.10.2007

Antik naschen

Vieles schmeckt ja besser, wenn man es eine Nacht auf dem Balkon hat durchziehen lassen. Sechzehn Jahre sind allerdings ziemlich viele Nächte. Und Schokoriegel waren wohl ohnehin nicht gemeint. Oder doch? Probieren Sie's aus. Gibt's nur nicht? Gibt's doch. Bei eBay:

Raider heisst zwar jetzt Twix und geändert hat sich auch nix.. bis auf den Namen eben, deren Umstellung im Jahr 1991 erfolgte.

Wer schon immer mal einen ECHTEN UNGEÖFFNETEN RAIDER sein eigen nennen wollte, ist hier beim Mitbieten genau richtig!

Den Riegel entdeckte ich beim Zimmerumbau hinter einer Fensterbank, wo ihn wohl jemand versteckt und vergessen hat.

Aktueller Stand: 9,50 Euro. Nicht schlecht. Für einen vergammelten Haufen Süßigkeit.


Nachtrag nach Auktionsschluß: 24,49 € Endpreis.

15.10.2007

Zahlenspiele II

Oder: Hätten Sie's gelöst?

Es geht voran. Erinnern Sie sich an das Sudoku für Hochbegabte aus dem »Alster-Magazin«? Gibt's jetzt auch für Höchstbegabte eine Stufe härter in »mittelschwer«:




Entschuldigen Sie bitte die Wiederholung. Aber wir finden das einfach urkomisch.

13.10.2007

Messemarginalien

Randnotizen aus Frankfurt


[...]
»Sie müssen sich immer fragen: Wann hat die Idee Sie gepitched?«, wiederholt die Frau, die zum Thema »Pitch« vorträgt. Mach' ich aber nicht. Bescheuerte Frage.

*

Mit tun die Vertreter der ganz kleinen Verlage immer etwas leid. Sie sitzen gebeugt in ihren einsfünfzig-mal-einsfünfzig-engen Ständen und blättern lustlos in einem Band ihres Hauses oder knabbern an einem Keks oder schauen einfach müde ins Nichts. Keiner interessiert sich für sie. Nicht einmal für ihre Kekse.
Erstaunlich jedesmal, wie viele und was für Verlage es gibt.

*

Den »Titanic«-Stand nicht gefunden.

*

Sehr schön die Vorstellung von »Superhero« mit Autor Anthony McCarten. Noch interessanter als das Buch war McCartens Gesicht, als Rufus Beck aus der Übersetzung vorlas; eine sehenswerte Mischung aus Amüsement, Verwunderung, Faszination und Verunsicherung, als er (McCarten) seine Geschichte in dieser wundersamen, ihm undurchsichtigen Sprache hörte, die wir Deutsch nennen. So gucken vermutlich Menschen, die bei Respektspersonen eingeladen sind und dort von den stolzen Eltern vorgeführt bekommen, wie das Respektspersonentöchterchen Melodien pupst.
»Das ist mein Text?«, schienen seine Augen zu sagen. »Ganz schön irre.«

*

Moderator Daniel Haas (sonst »Spiegel Online«) erwähnt mehrfach, daß er »professioneller Leser« sei. Was bedeutet das? Daß er von Berufs wegen liest? Ja, hoffentlich; so als Kulturredakteur und Rezensent. Oder daß er irgendwie anders liest? Wie liest ein Profi?

*

Bei Langenscheidt liegt eines dieser Mode-Wörterbücher als Werbegeschenk aus, »Fußball – Deutsch / Deutsch – Fußball«. Das also auch. Erst vor ganz kurzem in einem Buchladen dachte ich, ich hätte alle aktuellen Varianten gesehen:

  • »Deutsch – Frau / Frau – Deutsch« (Wegbereiter)
  • »Deutsch – Mann / Mann – Deutsch« (unvermeidliche Antwort)
  • »Deutsch – Chef / Chef – Deutsch« (wegen »Stromberg«)
  • »Deutsch – Arzt / Arzt – Deutsch« (mal sehen, wieviel wir damit noch abschöpfen können)
  • »Deutsch – Politiker / Politiker – Deutsch« (und hier muß doch auch noch was drin sein)

Ob damit das Feld der Kommunikationsprobleme bearbeitet ist? »Deutsch – Beamter / Beamter – Deutsch« (Mit einem Augenzwinkern, Klappentext Werbegeschenk) scheint mir in dieser Reihe noch zu fehlen. Klischee- und frischefaktormäßig. Nur den wirklich drängenden Problemen (»Bahndurchsage – Deutsch«) widmet sich natürlich wieder niemand, das sei hier mit einem Augenzwinkern angeprangert.
Ich nehme trotzdem zwei Exemplare mit, eins bekommt M.

*

Auf der Rückfahrt noch eines dieser »letzten Gespräche« mit Walter Kempowski gelesen. Ach. Ein paar Jahre hätte ich ihm wirklich noch gegönnt. Er sich wohl auch, glaube ich; umso schöner:

Das Einzige, was mich am Tod wirklich traurig macht, ist, daß man als Toter keine Musik mehr hören kann.

War ein Großer.
[...]

10.10.2007

Herbst


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08.10.2007

Glaubensfragen

Morgen- oder Abendduscher?
PC oder Mac?
Windows oder Linux?
Geha oder Pelikan?
Rolling Stones oder Beatles?
Canon oder Nikon ...?
... analog oder digital?
McDonald's oder Burger King?
Kahn oder Lehmann?
das Nutella oder die Nutella?
Eier aufschlagen oder köpfen ...?
... am spitzen oder am dicken Ende?
Adidas oder Puma?


(Einige Alternativen sind natürlich sehr theoretisch und in der Praxis völlig inakzeptabel.)

07.10.2007

Hat Luhmann eigentlich selbst gesaugt?

Wer da so gerne behauptet »Dat ganze Theoretisieren bringt do nix!«, der sauge doch einmal den in der Kammer leicht angestaubten Sauger zunächst selbst ab und versinke bei dieser Tätigkeit in sehr anregende und herausfordernde Gedanken über selbstreferentielles Sein im Dasein. Und wenn er dann irgendwann hochschreckt, und die Wohnung ist so dreckig als wie zuvor, wird er nämlich sagen: Stimmt.

04.10.2007

Rezeptidee

»Die BJURSTA Esstische gibt es in 5 Größen und 3 Farben. Kombinier sie mit den Stühlen HENRIK oder HENRIKSDAL - die es natürlich mit vielen verschiedenen, waschbaren Bezügen gibt - und voilà, fertig ist das perfekte Dinner!«

(»IKEA – Neuigkeiten Oktober 2007«)


So einfach. Und als leckeres Dessert vielleicht eine spülmaschinenfeste Auflaufform oder ein formschönes Stuhlbein.

Wir wünschen: Guten Appetit.

02.10.2007

Aufwärts

Ein älteres Foto. Daran erinnert worden und hervorgeholt, weil ich jetzt irgendwo ein sehr ähnliches Bild sah, ohne daß man gegenseitig von der anderen Aufnahme hätte wissen können. Sehr gern wollte ich es verlinken - aber wo war das nur ...?
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01.10.2007

Kurzkino

... mit kurzem Titel kurz vorgestellt. Von und mit Heinz Strunk:

Zeit

Film ab!

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