24.05.2010

netzwort-Leser wissen mehr

3 Never use a verb other than "said" to carry dialogue. The line of dialogue belongs to the character; the verb is the writer sticking his nose in. But "said" is far less intrusive than "grumbled", "gasped", "cautioned", "lied". I once noticed Mary McCarthy ending a line of dialogue with "she asseverated" and had to stop reading and go to the dictionary.
(Elmore Leonard)


Erklären verkünden meinen behaupten Sagen wir doch!

21.05.2010

Der kleine Nacherzähler (2)

Das Pinocchio-Paradox

Eine offenbar aus Holz geschnitzte Jungengestalt sitzt fröhlich am Boden, kurze Hose, Fliege, Hut, erhebt den Zeigefinger und sagt sehr entschieden: »My nose will grow now!«


Ursprung und erste Folge »

13.05.2010

Das automatische Buch

Was haben Schokoriegel, getragene Mädchenunterwäsche und Bücher gemeinsam? Diese Dinge gibt es am Automaten. Die Riegel überall, die Unterwäsche in Tokio, die Bücher neuerdings in Hamburg, gleich neben dem Abaton.

Hamburger Automatenverlag

Wie früher, nur ohne Goethe: Bücher aus dem Automaten vom Hamburger Automatenverlag

Der Hamburger Automatenverlag reanimiert das alte Reclam-Konzept des Literaturvertriebs und steckt Bücher in ausrangierte Zigarettenautomaten, damit man sie dort für vier Euro wieder herausholen kann. Allerdings nicht Lessing und Camus, sondern einen »Stadtführer für erwachsene, berufstätige Frauen«. Und einen Hamburg-Krimi. Und Gedichte und ein Kinder-Kochbuch und einen Fotoband.

All das soll auf dem Automatenweg »Menschen erreichen, für die der Weg in die Buchhandlung nicht selbstverständlich ist.« Natürlich könnte man sagen, daß es auf genau diese Menschen auch hinauslaufen wird, da alle anderen nämlich wissen, daß es in der Buchhandlung deutlich mehr als zehn Bücher gibt, die auch noch deutlich größer sind und deutlich weniger Geld kosten, zum Beispiel einhundertfünfzig Meter und zwei Ecken weiter, in der Grindelallee, wo man sich für vier Euro aus der Grabbelkiste das gesamte Weltwissen erwerben kann, jedenfalls beinahe.

Sagt man aber nicht. Sondern freut sich über die schöne Idee. Und lieber Automaten mit Stadtführern für erwachsene, berufstätige Frauen als Automaten mit Unterhosen längst nicht erwachsener, schulpflichtiger Mädchen.

24.04.2010

Der kleine Nacherzähler (1)

Kürzlich verglich jemand eine Alltagssituation mit einem »Nichtlustig«-Cartoon. Nur daß der Cartoon gerade nicht zur Hand war. Aber er ging wohl ungefähr so:

Ein Clown-Rumpf hockt/liegt/lehnt (?) mit abgehackten Beinen und Armen, aber leicht verschmitztem Gesicht in der Ecke und darunter steht: Clown Beppo musste doch ein wenig schmunzeln, als ihm die Unsinnigkeit seiner Tat bewusst wurde.

Ist doch schön. Anlaß und Motivation genug, das totgeglaubte Genre des nacherzählten Bildwitzes in loser Folge wiederaufleben zu lassen. Zum Auftakt eine Doppelfolge:

*

Zwei Männer befinden sich in einem großen Raum, zwischen ihnen liegt eine Art Kubus, etwa von der Größe eines Umzugskartons. Der eine der beiden Männer schaut selbstgefällig und sagt lächelnd: »Ich sehe was, was Du nicht siehst, und das ist Kunst. Haha!«1

*

Ein Bild des vom Feuer leicht versehrten Autos von Kai Diekmann, das von Unbekannten am 22. Mai 2007 angezündet wurde; Löschschaum klebt überall an der Karosse, Motorhaube, Türen und Heckklappe stehen offen. Auf dem Foto die Schlagzeile: »TÜV Hamburg warnt: EXPLOSIONSGEFAHR BEI PENISPUMPEN!«2


1) Ahoi Polloi
2) Titanic

10.04.2010

Die Rechte der Anderen

... wenn die Anderen von der Rechten sind.

Wikileaks bereitet gerade die Veröffentlichung von rund 37.000 NPD-Mails vor, darunter vermutlich auch allerlei Privatkorrespondenz. In einem »Spreeblick«-Text dazu wird die These vertreten, daß die Geringschätzung von Datenschutzfragen, sobald es Rechtsradikale betrifft, ein Grund ist, »sich Sorgen zu machen«.

Das auch. Vor allem ist es ein Grund, mal auf die Doofheit der hämenden Gedanken hinzuweisen und darauf, daß sich die Billigung und Rechtfertigung solcher Vorgänge ziemlich rasch selbst widerlegen. Das sieht nicht jeder so (alle folgenden Zitate sind Leserkommentare des verlinkten Artikels):

Bullshit! Keine demokratische Repräsentation für Demokratiefeinde

Doch, auch und gerade für Demokratiefeinde. Alles andere ist Schönwetterdemokratie. Freiheitsrechte für Gegner der Freiheit zu gewährleisten, ist nicht paradox. Es ist souverän.

Das ist das eine. Abgrenzung ist das andere. Wer sich für besser als andere hält, sollte sich nicht genauso schlecht benehmen.

Zudem: warum sollten die bürgerlichen, demokratischen Rechte für die Menschen geben, die diese anderen absprechen und teilweise komplett abschaffen wollen?

Weil wir uns dadurch von ihnen unterscheiden.

ich möchte einfach nicht, das jemand, der sich damit einverstanden erklärt, ganze volksgruppen auszulöschen oder zu versklaven, weil sie genetisch minderbemittelt, arschlöcher, ungläubige, gutbestückte oder weltherrscher sind, mit den selben privatrechten ausgestattet ist, wie ich.

Mit anderen Worten: Weil andere Menschen bestimmten Gruppen grundlegende Rechte vorenthalten (wollen), sollen ihnen grundlegende Rechte vorenthalten werden. Weil es sehr schlimm ist, was andere tun, tut man es auch? (Was in diesem und ähnlichen Fällen nicht gerade unproblematischer dadurch wird, daß Demokraten anderen Leuten demokratische Rechte vorenthalten möchten, weil diese das ihrerseits so praktizieren würden. Das »Minority Report«-Problem.)

Wie Du mir, so ich Dir. Das ist genau das Prinzip, das die Welt in die Scheiße reitet. Auge um Auge, bis keiner mehr weiß, was mit dem ersten Auge genau passiert war und Menschen sich wechselseitig in den Arsch treten, ohne noch zu wissen, warum eigentlich.

Bei den Nazis wissen die meisten ziemlich genau, warum sie sie verachten. Das könnte ganz hilfreich sein bei der Einschätzung, was man selber propagiert. Und was nicht.

Die Rechte der Anderen sind oft auch die eigenen.

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