09.09.2007

Luxauge

Die ziemlich unregelmäßige Kolumne

Klick' Dich krank

von Christoph Robert Lux


Wie gefällt Ihnen diese originelle Eröffnung: In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist. »Moment!«, ruft schon hier der Erste, »das stimmt doch gar nicht«, und er argumentiert mit dem Verweis auf manch durchtrainierten Berufssporttreibenden beim Versuch der freien Rede. Mag sein. Manches aber stimmt noch weniger, zum Beispiel der Umkehrschluß.

Unlängst absolvierte ich, des Geistes Wohl zu Nutze, im Internet einen der zahlreich offerierten Wissenstests. Ergebnis: Sehnenscheidenentzündung. Körper krank. Was da zu klicken ist! Vom steinigen Gang von der Ankündigung über die vierseitige Beschreibung und dem auf einer eigenen Seite zum Ausdruck gebrachten Wunsch, ich möchte viel Spaß haben, hin zur ersten Frage will ich gar nicht sprechen – hier erst beginnt der Leidensweg.

Noch sind wir auch gar nicht bei der Frage, sondern einer kleinen, groß illustrierten Vorbemerkung dazu, ein weiterer Klick erst enthüllt, was zu wissen begehrt wird, und einen Klick weiter darf ich auswählen, wer meiner Ansicht nach das Fernsprechwesen auf den Weg brachte, wofür ich zwei Klicks später ob meiner Kenntnis gelobt oder des Unwissens geziehen werde, denn davor präsentiert man mir noch eine bestätigende, vor allem bebilderte Wiederholung meiner Wahl. Dann kommt die zweite Frage. Von achtzehn. Beziehungsweise dreizehn in meinem Falle, an dieser Stelle mußte ich verletzungsbedingt und auch nervlich nicht mehr unversehrt ausscheiden. Schließen, die Scheißseite! Nehmt das als letzten Klick!

Allerdings weiß ich nun nicht, wer den Sprühkäse erfunden hat. Dabei sind das die Fragen, die die Neugier anregen, zudem könnte man diese Person dann einmal zur Rede stellen. Sprühkäse! Können Sie sich etwas Seltsameres vorstellen? Ich schon, aber das macht es nicht besser.

Besserung schien bei unserem Thema in Sicht, als eine offenbar maßgebliche, internetseitenwerbewertbestimmende Firma kundtat, fortan nicht in erster Linie die Klickzahlen, sondern vor allem die auf den Angeboten verbrachte Zeit heranzuziehen, um sagen zu können: Soso. Noch scheint dieses Konzept der umfassenden Akzeptanz zu harren, oder man denkt sich in den auf den Werbewert schielenden Redaktionen: Dauernd klicken dauert ja auch seine Zeit. »Wie zynisch müßte man in den auf den Werbewert schielenden Redaktionen sein, um so zu denken!«, lautet an solchen Stellen ein beliebter Einwurf, doch sollte man sich von rhetorischen Fragen mit Ausrufezeichen nicht verunsichern lassen. Meine Antwort: So zynisch nun auch wieder nicht.

Aber sehr wissenstester- und leserunfreundlich. Seit einiger Zeit ist es jedenfalls auch Sitte, nicht nur sehr lange Artikel auf zwei Seiten zu verteilen, sondern auch sehr kurze auf zwanzig. Satzweise. Wer mir hier treffende zwar, aber doch zuspitzende Schilderung unterlegen möchte, den verweise ich stracks auf die Internetausgaben überregionaler deutscher Wochenmagazine oder Qualitätstageszeitungen, insonderheit auf Kultur-, Sport- und Gesellschafts-/Panorama-/Vermischtmeldungen.

Ich werde aber nicht auf eingangs geschilderte Klickorgie verweisen, denn nur ungern deute ich mit dem Finger anklagend auf andere, besonders, da mir die Hand so wehtut, weil ich ja eine Sehnenscheidenentzündung habe. Stattdessen deute ich für alle anatomisch Wißbegierigen, die meine Diagnose noch nicht auf Anhieb zuordnen können, auf das Internetlexikon Wikipedia:

Die Sehnenscheidenentzündung (Tendovaginitis, auch Peritendinitis oder Paratendinitis) ist eine Entzündung der Sehnenscheiden.

Klick' Dich schlau.

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