24.10.2007

Luxauge

Die ziemlich unregelmäßige Kolumne


Grimm ist geil, und die Queen ist feucht

von Christoph Robert Lux


Stellen Sie sich das mal vor. Sie müssen noch schnell zu Saturn, ein paar Lampen kaufen, sind ohnehin schon mies gelaunt, weil Sie endlich nach Hause möchten und was essen – und dann versperrt Ihnen kurz vorm Ziel plötzlich Elke Heidenreich den Weg und verwickelt Sie in eine Diskussion über Moral und Ästhetik von Werbesprüchen. Ungeil!

Warum sollte sie denn so etwas tun? Ich weiß es nicht. Keiner weiß es, aber sie tat:

Ich habe damals eine kleine private Kampagne gestartet, all meinen Freunden und Bekannten vom Kauf bei Saturn abgeraten, mich vor einzelne Filialen gestellt und Kauflustige so lange in Diskussionen verwickelt, bis sie eben nicht mehr kauflustig waren.

Wegen der doofen »Geiz ist geil!«-Kampagne, die »ekelhaft, falsch, zu beanstanden« gewesen und jetzt zum Glück eingestellt worden sei. Grimms Wörterbuch sei dank. Elke Heidenreich hat das mal gewonnen und sogleich »benutzt und damals, als die Kampagne losging, der Firma Saturn einen Brief geschrieben«. Geiz und geil würden ja gar nicht zueinander passen. Das saß! Aber pronto vier Jahre später, seit neulich, ist Schluß mit der Geilheit.

Wir möchten ehrlich sein: Die Kampagne war doof und ekelhaft, falsch und zu beanstanden. Aber deswegen hungrige Leute daran hindern, sich Lampen zu kaufen? Auch doof. Wo es doch so praktisch auf dem Wege liegt; und im Dustern wie Königin Elisabeth möchte man ja auch nicht hausen.

Die nämlich, erzählt man sich, schleicht nachts mit einer silbernen Taschenlampe durch die Palastgänge, dreht die Heizungen runter und schaltet die Lichter aus. Und dann kuschelt sie sich ins klamme Bett. Das berichtet Frau Heidenreich:

Königin Elisabeth, erzählt man sich, schleicht nachts mit einer silbernen Taschenlampe durch die Palastgänge, dreht die Heizungen runter und schaltet die Lichter aus. Und dann kuschelt sie sich ins klamme Bett. [...] Geiz ist sowas von geil!

Shocking! Das habe ich ja noch nie gehört: Jemand, der nachts die Lichter ausschaltet. Die Königin herself auch noch. Erschütternd. Macht die echt nachts die Lichter aus. Majestät können sich ja alles erlauben!

Und die Heizungen gleich mit. Aber ist es nicht bezeichnend? Ein Mann veranstaltet Dia-Abende mit der Forderung, die Heizungen runterzudrehen und erhält dafür den Friedensnobelpreis; eine alte Frau, die nachts losschlurft, um zu tun, wie vom Nobelpreisträger geheißen, wird von Elke Heidenreich gedisst. Gerecht ist das nicht. Wo ist Alice Schwarzer, wenn solche Schande offenkundig wird? Wo ist die Fratze des Feminismus, wenn die Fratze der Diskriminierung triumphierend grinst? Aufrüttelnde Zustände erfordern aufrüttelnde Formulierungen.

Aufrüttelnd auch die Information, Frau Windsor kuschle sich ins klamme Bett. Ja, hüstel, räusper, hust. Oder verstehe ich das falsch? Wo ist Alic- äh, wo sind die Grimms, wenn banges Erstaunen und erstauntes Bangen sich des Lesers bemächtigen, und er nach Gewißheit lechzt? »Na hier!« rufen sie und bestätigen: »KLAMM, adj. [...] kalt und feucht, feucht überhaupt, klebrig«:

feucht und kalt, naszkalt. [...]
aber auch feucht allein. nd. z. b. [...] von gliedern eines menschen der in gelindem schweisze ist RICHEY 119; [...]
endlich klebrig, so nd. 'klebricht feucht' brem. wb. 2, 784 (klammen swêt klebrichter schweisz), ostpreusz. HENNIG 122. nl. klam (und klamp) bei KIL. tenax, viscosus, lentus, also zähe, klebrig; [...]

Was weiß Elke Heidenreich, was wir nicht wissen? Wieso ist es feucht im Bett der Queen? Klebt es gar in königlicher Schlafstatt? Und wovon ist das Bette klebrig? Das wird verschwiegen. Dann, bitte, soll man aber auch gar nicht davon anfangen und ekelhafte Gerüchte streuen. Ich beanstande das.

Worum ich die Queen übrigens beneide, ist diese kleine silberne Taschenlampe, mit der sie, wie man sich erzählt, nachts durch den Palast schleicht. Ob es die bei Saturn gibt? Ich möchte auch gerne eine haben. Find' ich ganz geil, sowas.

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