04.06.2006

Mythologie zu Gast bei Freunden

Nur noch wenige Tage bis zum Anpfiff des Bolzturniers; die Spannung steigt allerorten. Das Ballfieber ist mit einfachen Worten kaum mehr zu fassen, Bildnisse müssen her.

So sprach jetzt der Zeus des Sambafußballs, Pelé, er freue sich sehr auf die WM, und das Schöne an ihr sei, daß man nie wüßte, was kommt – »wie bei der Büchse der Pandora«. Hmm. Zurecht werden Sie nachdenklich. Natürlich, Epimetheus hatte durchaus keine Ahnung, was da kommt, als die schöne Pandora ihr berühmt gewordenes Gefäß öffnete. In Anbetracht dessen, daß es sich um die von einer schlechtgelaunten Götterschar gesammelten und mitgegebenen Übel, Krankheiten, Qualen und überhaupt alles nur erdenklich Elende handelte, das nun über die Menschheit kam, kann man dennoch nur hoffen, daß »Pehle« sich einfach im Vergleich geirrt hat. Oder der Übersetzer.

Denn nicht Pandora möchten wir sein, sondern Freunde, bei denen sich die Gäste wie zuhause fühlen. Auch die unlängst angereiste Mannschaft der USA. Die konnte man gestern im Bus durch die Alsterstadt brausen sehen. Gastfreundlich begleitet von ungefähr siebenhundert Polizeiwagen, komplett mit Blaulicht und Tatütata. Fußball verbindet eben. Die Polizeireviere zum Beispiel. Alles hundertfach gesichert, alles hektisch und nervös – heimischer können wir es den US-Amerikanern nun wirklich nicht bereiten.

Und wo steigt man als sogenannte höchstgefährdete Mannschaft der Weltmeisterschaft ab? Natürlich in der Mönckebergstraße, mitten im Zentrum, wohin nur wenige hundertausend Menschen den Weg finden und man leicht den Überblick behält. Aber dafür gibt es ja Absperrungen. An denen an der hinteren Einfahrt zum Hotel warteten am geduldigsten einige Asiaten. Nicht jedoch Fotos und Autogramme der Fußballer waren ihr Ziel, sondern der Asiamarkt in derselben Straße, der zehn Meter zu weit hinten lag und sich somit im weiteren Sicherheitsradius befand. Erst als die fernwestliche Mannschaft im Hotel verstaut war, war der Weg frei zu den fernöstlichen Köstlichkeiten. Fußball verbindet eben. Die chinesischen Hausfrauen zum Beispiel mit den Fans in dem Gefühl: Wir müssen leider draußen bleiben.

Das verbindende Gefühl des Fußballs möchte man auch in Serbien & Montenegro verspüren. Vor allem in Montenegro. Und da man nichts verbinden kann, was schon zusammen ist, hat man sich kurzerhand getrennt: Gestern erklärte Montenegro seine Unabhängigkeit von Serbien. Das wirft allerhand Fragen in Gruppe C auf: Reisen die montenegrinischen Spieler – so denn welche dabei sind und so man sie überhaupt so nennt – nun wieder ab? Oder die serbischen? Mit wem haben wir es überhaupt zu tun? Müssen die Kleingartenschmücker unter den WM-Fans nun eine 33. Flagge kaufen? Stehen die europäische und die Weltgemeinschaft vor einem neuen Balkankonflikt um die Frage, wer die erzielten WM-Tore, -Punkte und -Siege für sich verbuchen darf?

Es bleibt spannend. Wie bei der Büchse der Pandora.

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