30.12.2008

Wie man reisen soll*

[...]
Wenn man eine längere Autoreise unternimmt, ist das anstrengend für das rechte Handgelenk und besonders den rechten Zeigefinger. Man hält ihn die ganzen zweieinhalb Stunden auf der Sendersuchlauftaste des Radios und drückt im Schnitt alle vier bis fünf Sekunden. Radio ist wie ein Buch voller Floskeln. Oder wie Udo Lattek.
Ähnlich wie bei Floskeln nimmt man bei immer und immer und immer (und immer – und immer) wieder gespielter Musik das Stück als solches gar nicht mehr wahr. Man nimmt nur noch eine Abwehrreaktion wahr. Den Widerwillen, es schon wieder hören zu sollen.

Man drückt. Man fragt sich, warum in Autowerkstätten so wenig Amokläufe verübt werden. Aus den Tagen der ersten eigenen und billigen Gebrauchtmotorisierung weiß man, daß dort rund um die Uhr ein Phrasensender dudelt. Immer.

Man drückt. Irgendwann landet man bei »Ein bißchen Frieden«. Aus einer Art zynischem Protest gegen das Hörfunkangebot verweilt man. Man hat dieses Lied noch nie komplett gehört, denkt man. Kann das denn sein? Daß die Frau manche Wörter so komisch ausspricht, findet man komisch. »... auf dieser Erde, auf der wir wouhnen

Man drückt. Und drückt. Man fragt sich, warum man das Radio nicht einfach ausschaltet. Man schaltet das Radio aus.

Man schaltet das Radio wieder ein. Man drückt auf den Sendersuchlauf. Und drückt. Man könnte den Zeigefinger entlasten, indem man mit ihm zwischendurch auf die seltsamen, teilweise fast lattekesken Slogans weist, mit denen die Bundesländer ihre auf der Autobahn einfahren Besucher begrüßen. Da man allein im Auto ist, unterläßt man das.

Man drückt. Nächstesmal wird man die CDs nicht vergessen.
[...]


*) Anspielung

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