06.07.2008

Ernste, ernstest, ernstet

Ich ›spiele‹ Schach im wahrsten Sinne des Wortes, während die anderen, die wirklichen Schachspieler, Schach ›ernsten‹, um ein verwegenes neues Wort in die deutsche Sprache einzuführen.
(Stefan Zweig, »Schachnovelle«)

Ja, und da ist es nun. All die Jahre schon, und all die Jahre ohne jede Durchsetzungskraft. Jedenfalls dann, wenn das Internet nur einigermaßen repräsentativ ist fürs richtige Leben. Die Suche nach ernstest oder ernstet, also nach eindeutigen Verwendungen als Verb, bringt inmitten zahlloser Namen, Vertipper und Dialektschreibweisen (»n ernstet Wörtchen«) ein paar ganz wenige Verwendungen in unserem Sinne (immerhin: eine davon, die deutlich macht, daß es schon vor dem Ich-Erzähler der »Schachnovelle« verwegene Worterfinder gab). Vieles ist ernst, doch kaum einer ernstet.

Ein Wort ohne Ausstrahlung, scheint's, dabei bringt es das Gemeinte eigentlich sehr schön auf den Punkt; vor allem in Gegensätzen wie dem eingangs zitierten. Vielleicht liegt es daran, daß niemand gerne von sich sagt, er ernste. (So wie man auch keinen trifft, der von sich sagt, keinen Humor zu besitzen.) Umso besser müßte es natürlich als Vorwurf taugen, doch da steht womöglich die etwas umständliche Aussprache einer weiteren Verbreitung im Weg. Du ernstest immer so klingt nicht nur einem echten Vorwurf unangemessen unernst; auch kommt man unter Umständen leicht aus dem Tritt. So ein bißchen wie Harald bei seiner Rede über Retter und Gerettetete (»Otto – der Film«).

Da nützt wohl auch die beste Novellenreferenz nichts.

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