25.08.2009

Sieben ohne: Das Prinzip »Ohne«

[ursprünglich: 28. März 2009]

von Ute Janssen


»Warum machst du das eigentlich?«, fragt meine Freundin Karen mich, während sie im Fernsehsessel neben mir ein Joghurt-Gum hoch in die Luft wirft, um es dann mit dem Mund wieder aufzufangen. »Gute Frage, nächste Frage«, denke ich und schiele auf die Packung mit dem süßen Weingummi.

Aber dann antworte ich doch. »Weißt du, es ist doch so«, hole ich hochwichtig aus, »wenn ich auf eine Routine verzichte, eine Alltagsgewohnheit ändere, dann entsteht Platz für etwas Neues.« – »Aha«, sagt Karen und widmet sich ungerührt weiter ihren Joghurt-Gums. Aber ich stehe zu diesem Argument. Wenn ich am Freitag nach einer anstrengenden Woche nach Hause komme, war meine Gewohnheit bisher: erstmal ein Keks, ein Stückchen Schokolade, irgendetwas Süßes. Wenn mich etwas bedrückt, mein Freund mich nicht versteht und meine beste Freundin mal wieder telefonisch nicht erreichbar ist: erstmal ein Riegel Schokolade. Nach einem guten Essen: ein süßer Nachtisch. Diese Situationen kann und muß ich jetzt neu füllen: Statt Süßes zu essen, trinke ich einen heißen Tee, mache Musik an oder gehe laufen. Und dieses Entdecken neuer Gewohnheiten tritt immer dann ein, wenn ich eine alte Gewohnheit aus meinem Tagesplan streiche.

Ich habe Erfahrung darin, für eine begrenzte Zeit auf etwas zu verzichten. Mein Freund und ich haben uns eine zeitlang darin überboten, Themen für Ohne-Wochen zu erfinden und sie gemeinsam durchzuführen: eine Woche ohne Fernsehen, eine Woche ohne Kaffee, eine Woche ohne Essen nach 18 Uhr, eine Woche ohne täglich mehr als 5 Euro auszugeben. Und das Ganze funktioniert auch »Mit«: Eine Woche mit jeden Tag Sport treiben, eine Woche mit jeden Tag gemeinsam kochen, eine Woche mit jeden Tag ein neues Fremdwort lernen.

Das Ergebnis ist immer ähnlich: Auf einmal hat man die Chance zu bemerken, wie wichtig einem z.B. die Castingshow ist, von der man immer vorgibt, rein zufällig hineingezappt zu haben. Aber auch: Wie gut sich der Magen anfühlt, wenn er morgens als erstes Kamillen-Tee statt Kaffee bekommt. Wie schwierig es ist, eine gesamte Woche sparsam zu leben, und wieviel Geld man einfach so und ganz nebenbei ausgibt. Was für ein schönes Gefühl es ist, jeden Tag etwas Neues zu lernen. Gewohnheiten aufzubrechen bietet Raum, sich selbst besser kennenzulernen und Alternativen zu entdecken. Ein bißchen ist es, als würde man aus seinem eigenen Leben treten und für eine kurze Zeit ein anderes ausprobieren. Und: Ohne-Wochen, gemeinsam durchgeführt, verbinden, fordern die Phantasie und bieten jede Menge Gesprächsstoff.


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